Michael Nowak war schon immer ein rastloser Typ. Früher checkte er auch im Urlaub permanent E-Mails, fotografierte jeden Sonnenuntergang für Instagram und googelte ständig nach dem nächsten Highlight. Bis er vor drei Jahren in einer Berghütte in Tirol strandete, komplett ohne Netz. „Die ersten Stunden waren die Hölle“, gibt er zu. Ständig griff er nach dem Handy, wollte das Wetter checken, Fotos posten, jemandem schreiben. Aber da war nichts. Nur Stille, Berge und seine eigenen Gedanken. Nach zwei Tagen war etwas passiert. Er hörte wieder zu und das bei Gesprächen, bei Vogelstimmen, bei sich selbst. „Ich hatte vergessen, wie laut mein Kopf eigentlich ist, wenn er nicht ständig abgelenkt wird.“ Seitdem plant er seine Reisen bewusst so, dass das Handy zur Nebensache wird.
Was Digital Detox wirklich bringt
Mehr als nur Handy weg
Viele denken bei Digital Detox an kompletten Verzicht. Smartphone in den Safe, Laptop zu Hause lassen, Internet meiden. Michael Nowak sieht das entspannter. „Es geht nicht darum, zurück in die Steinzeit zu wollen. Es geht darum, wieder selbst zu entscheiden, wann ich online bin.“
Das Problem ist oft nicht die Technik selbst, sondern wie automatisch wir sie nutzen. Morgens erstmal Instagram checken, beim Warten auf den Bus durch Twitter scrollen, abends noch schnell alle Nachrichten beantworten. Das Gehirn läuft permanent auf Hochtouren. Eine Woche ohne diese Dauerstimulation kann erstaunliche Effekte haben. Man schläft besser, konzentriert sich länger, nimmt Umgebung wieder bewusster wahr. „Ich merke Details, die mir früher nie aufgefallen wären“, erzählt der Reiseexperte.
Das Paradox der ständigen Erreichbarkeit
Obwohl wir theoretisch mehr vernetzt sind denn je, fühlen sich viele Menschen einsamer. Nowak hat das selbst erlebt. „Man chattet mit Leuten auf der anderen Seite der Welt, aber übersieht den Menschen neben sich im Café.“
Besonders auf Reisen wird das zum Problem. Anstatt präsent zu sein, dokumentiert man ständig. Der Sonnenuntergang wird nur noch durch die Kameralinse betrachtet, das Essen erst fotografiert, bevor man es isst. Die Erfahrung wird zur Performance.
Michael Nowak über Orte für echte Entschleunigung
Wo das Netz schwächelt
Nicht überall muss man bewusst auf Technik verzichten. Manche Orte zwingen einen förmlich zur Entschleunigung, einfach weil der Empfang miserabel ist. Nowak sammelt solche Destinationen wie andere Leute Briefmarken.
Seine Favoriten für natürlichen Digital Detox:
- Berghütten in den Alpen: Oft ohne Strom, geschweige denn WLAN. Dafür mit Panoramablick und echter Ruhe.
- Abgelegene Inseln: Viele griechische oder kroatische Inseln haben zwar nominell Internet, aber so langsam, dass man es gleich sein lässt.
- Nationalparks in Skandinavien: Weite, Stille und Handynetz gibt’s höchstens am Parkplatz.
- Traditionelle Ferienhöfe: Besonders in Bayern oder Österreich gibt’s noch Unterkünfte, wo das Handy tatsächlich überflüssig ist.
- Klöster und Retreats: Hier ist Stille Programm, nicht Zufall.
„Das Schöne ist: Man muss sich nicht überwinden. Die Umgebung macht es einem leicht“, erklärt er.
Städte mit Offline-Qualitäten
Auch urbane Ziele können zur Entschleunigung einladen, wenn man sie richtig angeht. Nowak schwört auf kleine Städte in Portugal oder Italien, wo das Leben noch einen anderen Rhythmus hat. „In Óbidos oder Montepulciano läuft die Zeit anders. Da passt es gar nicht, ständig aufs Handy zu starren.“
Sein Trick: Unterkünfte ohne WLAN buchen. Gibt’s tatsächlich noch, meist familiengeführte Pensionen oder alte Stadthäuser. „Die Besitzer verstehen oft gar nicht, warum man das will. Aber sie respektieren es.“ Michael Nowak bevorzugt Immobilien mit Geschichte und Charakter und ist gern dort, wo Authentizität wichtiger ist als perfekte Internetverbindung. Auch in größeren Städten kann man bewusst offline gehen. Handy zu Hause lassen, sich einfach treiben lassen, sich verlaufen und nach dem Weg fragen. Michael Nowak schätzt Wien besonders für solche Experimente. „Die Stadt kenne ich seit Jahren. Aber ohne Google Maps entdecke ich immer noch neue Ecken.“
Praktische Tipps für den Alltag
Klein anfangen
Wer noch nie Digital Detox gemacht hat, sollte nicht gleich eine Woche offline gehen. Nowak rät zu kleinen Schritten. „Erstmal ein paar Stunden. Dann einen halben Tag. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln.“
Seine bewährtesten Einstiegs-Strategien:
- Flugmodus für drei Stunden am Vormittag
- Kein Handy beim Essen
- Eine Stunde vor dem Schlafen alle Geräte aus
- Am Wochenende bewusst offline-Zeiten einbauen
- Bei Spaziergängen das Handy zu Hause lassen
Der Entzug ist real
Die ersten Tage können durchaus unangenehm werden. „Man wird nervös, greift ständig ins Leere, denkt, man verpasst etwas Wichtiges“, warnt Michael Nowak. Das sei völlig normal. Das Gehirn ist an die ständigen Dopamin-Kicks gewöhnt, die jede Nachricht, jeder Like, jeder neue Inhalt auslöst. Fehlen diese, reagiert es wie bei einem echten Entzug. „Nach drei Tagen wird’s besser. Nach einer Woche merkt man die Vorteile.“
Warum Digital Detox mehr ist als ein Trend
Gesellschaftlicher Wandel
Was vor fünf Jahren noch als Spinnerei galt, ist mittlerweile Mainstream geworden. Hotels bewerben WLAN-freie Zimmer, Reiseveranstalter bieten „Offline-Pakete“ an, sogar große Konzerne schicken ihre Führungskräfte in Digital-Detox-Seminare. Der gern reisende Nowak sieht darin eine logische Reaktion auf die Beschleunigung der letzten Jahre. „Wir haben gelernt, überall und jederzeit erreichbar zu sein. Jetzt lernen wir wieder, dass das nicht immer nötig ist.“ Die Pandemie hat diesen Trend noch verstärkt. Plötzlich verbrachten alle noch mehr Zeit vor Bildschirmen, arbeiteten von zu Hause, socialisierten digital. Der Wunsch nach echten, analogen Erfahrungen wuchs.
Qualität statt Quantität
Früher wurde Urlaub oft an der Anzahl besuchter Orte gemessen. Je mehr Sehenswürdigkeiten, desto besser. Inzwischen beobachtet er einen Wandel hin zu intensiveren, bewussteren Erfahrungen. „Lieber drei Tage an einem Ort richtig ankommen als zehn Orte abhaken.“ Das funktioniert aber nur, wenn man nicht ständig abgelenkt ist. Wenn man sich voll auf den Moment einlassen kann.
Weniger ist oft mehr
Digital Detox auf Reisen ist keine Lösung für alle Probleme. Aber es kann einen wichtigen Impuls geben – für bewusste Entscheidungen im Umgang mit Technik, für mehr Präsenz im Moment, für echte Begegnungen mit Menschen und Orten. Die Welt wird nicht untergehen, wenn man mal ein paar Tage offline ist. Im Gegenteil: Man kehrt oft entspannter, klarer und mit neuen Perspektiven zurück. Nicht weil man der Technik abgeschworen hätte, sondern weil man gelernt hat, sie bewusster einzusetzen.
Für Michael Nowak ist Digital Detox deshalb mehr als nur ein Trend, sondern es ist eine Art, Reisen wieder zu dem zu machen, was es ursprünglich war: eine Begegnung mit dem Unbekannten, mit anderen und mit sich selbst.

Luftige Abenteuer: Michael Nowak über Reisen mit Heißluftballon, Paraglider & Co.
Michael Nowak hat eine ungewöhnliche Sammelleidenschaft: Flugstunden in der Luft. Vor zehn Jahren hätte Michael Nowak jeden für verrückt erklärt,…
